Deutlich besser als im Jahr 2020, aber noch weit entfernt vom Niveau normaler Jahre: Die Jugendherbergen im Norden haben sich in 2021 wacker geschlagen. Mit knapp 540.000 Übernachtungen sind sie im bundesweiten Vergleich aller DJH-Jugendherbergen am besten durch das Krisenjahr 2021 gekommen. Auch die Sondernutzungen einiger Herbergen (z.B. als Impfzentren), Kurzarbeit und Förderprogramme wie „Aufholen nach Corona“ waren überlebenswichtig für den Landesverband Nordmark des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH). Zahlreiche bereits gebuchte Aufenthalte für 2022 geben Hoffnung auf ein – den Umständen entsprechend – gutes Jahr. Darauf ist der gemeinnützige Verein wirtschaftlich dringend angewiesen.
„Das Jahr 2021 hielt sehr viele Herausforderungen für uns bereit. Ich bin stolz auf uns, dass wir sie gemeinschaftlich gemeistert haben“, resümiert Angela Braasch-Eggert, Vorsitzende des DJH-Landesverbands Nordmark e.V. Zum Verband gehören 39 Jugendherbergen in Schleswig-Holstein, zwei in Hamburg und vier im nördlichen Niedersachsen. Diese durften wegen des touristischen Übernachtungsverbots zunächst bis weit in den Frühling hinein keine Gäste begrüßen. Ab der schrittweisen Öffnung erfreuten sie sich großer Beliebtheit: Bis Ende des Jahres verzeichneten sie 539.889 Übernachtungen von 153.171 Gästen.
„Ein solches Jahresergebnis hatten wir noch im Mai 2021 selbst als „optimistisches Szenario“ bezeichnet“, ordnet Geschäftsführer Stefan Wehrheim ein. „Natürlich ist es noch kein Grund zu feiern, denn in normalen Jahren verzeichnen wir über 1 Million Übernachtungen“, so der 39-Jährige. Aber verglichen mit dem ersten Corona-Jahr 2020 steigerte sich das Ergebnis um zwei Drittel.
Der Norden in der Pole Position
Im Gegensatz zu anderen Bundesländern bot der Norden mehrmals eine günstigere Ausgangslage: Dank niedriger Infektionszahlen startete Schleswig-Holstein im April/ Mai touristische Modellprojekte. Auch sechs Jugendherbergen des Landesverbands Nordmark beteiligten sich an den Projekten und gehörten damit bundesweit zu den ersten Beherbergungsbetrieben, die nach fast einem halben Jahr im Lockdown wieder öffnen durften. Die meisten norddeutschen Jugendherbergen konnten zeitnah nachziehen. Als ebenso vorteilhaft erwies sich das frühe Ende der Sommerferien im Norden. Mit Beginn des neuen Schuljahres ab Anfang August kehrten die Schulklassen in die Jugendherbergen zurück. Dadurch konnte die erste richtige Klassenfahrt-Saison seit Pandemiebeginn stattfinden. Ein Meilenstein für die Gruppenunterkünfte, für die Schulklassen und Gruppen das Kerngeschäft darstellen.
Weitere wichtige Faktoren lagen im gemeinschaftlichen Einsatz der gesamten Landesverbands-Crew. Zusammen reagierte das Team schnell auf immer neue Hygiene- und Reisebedingungen, etablierte kulante Stornierungsbedingungen und sorgte trotz Unsicherheiten stets für eine hohe Erreichbarkeit, um Gäste wie Vertriebspartner intensiv betreuen zu können. Während der Schließzeiten hatte der gemeinnützige Verein aktiv seine Räumlichkeiten für Sondernutzungen angeboten und ist auch in der aktuellen Sondersituation dazu bereit, Geflüchtete aus der Ukraine aufzunehmen. Bisher kehrten Impfwillige, Studenten, Soldaten, Wohnungslose oder gestrandete Seeleute in einige der Jugendherbergen zwischen Nordsee und Ostsee ein. Drei Jugendherbergen dienen bis heute als Impfzentren oder Impfstationen. Auch Kurzarbeit kam zum Einsatz und war ein wichtiges Überlebensinstrument. Zudem brachte die Teilnahme an Förderprogrammen wie „Aufholen nach Corona“ des Bundesfamilienministeriums und „LernRäume plus“ des niedersächsischen Kultusministeriums den Jugendherbergen im Norden großen Zulauf.
Licht am Horizont trotz fortwährender Herausforderungen
In das Jahr 2022 startete der Landesverband Nordmark mit einem Rekord-Vorbuchungsstand von knapp 700.000 Übernachtungen. Auch für 2023 gibt es bereits mehr Vorbuchungen als sonst zu diesem Zeitpunkt. Gerade im Bereich der Klassenfahrten zeichnet sich ein hoher Nachholbedarf ab. Zwar zogen einige Schulklassen ihre Buchungen für das Frühjahr aufgrund der hohen Infektionszahlen und teils auf Basis behördlicher Empfehlungen oder Verbote zurück. Doch spätestens ab April werden sich die Gruppenunterkünfte voraussichtlich wieder füllen. Dazu werden auch weiterhin Förderprogramme beitragen. Beispielsweise werden im Rahmen des bundesweiten Aktionsprogramms „Aufholen nach Corona“ für Kinder und Jugendliche aus Schleswig-Holstein 15 erlebnispädagogisch betreute Ferienfreizeiten in acht Jugendherbergen angeboten. Die Freizeiten sind ab sofort buchbar (www.jugendherberge.de/ferien-fuer-sh/). Der Eigenanteil für eine Woche liegt bei nur 49 Euro pro Teilnehmendem.
Auch die umfassend modernisierten Jugendherbergen Büsum und Wittdün auf Amrum sind nun fertiggestellt und können in ihre erste vollständige Saison starten. Das Sonder-Darlehen, mit dem das Land Schleswig-Holstein im Frühjahr 2020 die Fortsetzung der beiden Bauprojekte gesichert hatte, beginnt der DJH-Landesverband Nordmark e.V. in diesem Jahr zurückzuzahlen. „Wir sind dankbar für sämtliche Unterstützungen, die zum Erhalt der Jugendherbergen beigetragen haben“, fasst Geschäftsführer Stefan Wehrheim zusammen.
Trotzdem hat er einen realistischen Blick auf die Zukunft: „Die Folgen der Pandemie werden wir – je nach weiterem Verlauf – noch längere Zeit zu spüren bekommen.“ Der Investitionsbedarf in die bestehenden, oftmals älteren Herbergsgebäude ist weiterhin groß. Modernisierungen können fortan aufgrund der finanziellen Auswirkungen der Corona-Zeit nur deutlich langsamer vorangetrieben werden. Dies wird folglich mittel- bis langfristig auch die Frage aufwerfen, inwiefern das gesamte Netz an Jugendherbergen im Norden erhalten werden kann. Insgesamt wird es weiterhin auf Möglichkeiten der Unterstützung und tragfähige Finanzierungsmodelle ankommen. Ebenso ist die Personalsuche auch für die Jugendherbergen nicht leicht – wie in der gesamten Gastronomie und Hotellerie. „Aber wir sind bereit, all diesen Herausforderungen auch weiterhin mit Einsatz und neuen Ideen zu begegnen“, so Wehrheim.