Die Jugendherbergen im Nordwesten

Bi­lanz 2020: Schwie­ri­ges Jahr für die Ju­gend­her­ber­gen


Die Corona-Krise hat die 27 Jugendherbergen in der Region schwer getroffen. Für 2020 zählt der Landesverband Unterweser-Ems lediglich 232.872 Übernachtungen und damit 67 Prozent weniger als im Vorjahr. Vor allem Klassenfahrten und Gruppenreisen haben seit dem ersten Lockdown im März kaum noch stattgefunden. Auch der Blick auf das erste Halbjahr 2021 bereitet dem gemeinnützigen Verband große Sorge. Mit flexiblen Konzepten wollen die Jugendherbergen die Krise trotzdem meistern, um Standort-Schließungen weiter abzuwenden.

Schließungen, Wiedereröffnungen, Hygienekonzepte, erneute Schließung der Jugendherbergen, Stornowellen, Kurzarbeit und Investitionsstopps: „Wir blicken auf ein extremes Jahr zurück. Das Coronavirus hat die Welt auf den Kopf gestellt und auch für uns bis dahin unvorstellbare Maßnahmen erforderlich gemacht“, fasst Thorsten Richter als Geschäftsführer des DJH (Deutsches Jugendherbergswerk) Landesverbands Unterweser-Ems den Rückblick auf das Krisenjahr 2020 zusammen.

Kaum Klassenfahrten und Gruppenreisen

Vor allem bei ihren beiden Hauptzielgruppen verzeichnen die Jugendherbergen im Nordwesten in 2020 dramatische Verluste: Der Übernachtungs-Rückgang bei den Schulfahrten liegt bei rund 94 Prozent, hier zählen die 27 Häuser im Krisenjahr gerade einmal rund 19.000 Übernachtungen – 2019 waren es knapp 283.000. Über 104.000 Übernachtungen weniger (-70 Prozent) zählt der Verband zudem bei den Freizeitgruppen wie Sportvereinen, Musik- oder Jugendgruppen; normalerweise die drittstärkste Gästegruppe der Jugendherbergen.
Die Jugendherbergen Bad Bentheim, Esens-Bensersiel, Langeoog mussten aufgrund dieser Entwicklungen seit dem März-Lockdown durchgängig geschlossen bleiben. „Der Betrieb dieser Häuser ist aufgrund der Einschränkungen wirtschaftlich nicht möglich gewesen und hätte unsere ohnehin sehr schwierige wirtschaftliche Situation weiter verschlechtert. An diesen drei Standorten machen die beiden Hauptzielgruppen bis zu 80 Prozent der Belegung aus“, berichtet Geschäftsführer Thorsten Richter. Die Jugendherberge Bremen wurde und wird seit 27. März 2020 bis voraussichtlich Ende Mai 2021 als Unterkunft für Geflüchtete genutzt.

Die sieben Jugendherbergen Damme, Lingen, Norderney Dünensender, Norderney Mühlenstraße, Rotenburg (Wümme), Verden/Aller und Worpswede konnten nur temporär öffnen.

Die Jugendherbergen Damme, Lingen, Meppen und Rotenburg (Wümme) haben im August mit Unterstützung des Landes Niedersachsen kostenlose Kinder- und Jugendfreizeiten im Rahmen der „LernRäume“ angeboten. „LernRäume“ ist ein Projekt des Niedersächsischen Kultusministeriums mit Betreuungs- und Bildungsangeboten in den Sommerferien 2020. Die Jugendherbergen boten dabei die perfekten Voraussetzungen für die Entlastung von Kindern und Jugendlichen, die in der Pandemie-Situation besonderer Unterstützung bedürfen. Rund 920 Kinder und Jugendliche im Alter von acht bis 16 Jahren haben an diesen Ferienfreizeiten teilgenommen.

Familienstandorte in den Ferien sehr beliebt

Die 16 Jugendherbergen Alfsee, Aurich, Borkum, Bad Zwischenahn, Emden, Jever, Juist, Leer, Meppen, Neuharlingersiel, Norddeich, Oldenburg, Osnabrück, Schillighörn, Thülsfelder Talsperre und Wangerooge waren seit Ende Mai bis zum November-Lockdown immer wieder teilweise geöffnet.

Die Bilanzen dieser Häuser fallen unterschiedlich aus. So konnten besonders die Insel- und Küstenjugendherbergen in den Sommer- und Herbstferien eine relativ große Nachfrage verzeichnen. Die Stadtstandorte hatten es nach der Wiedereröffnung schwerer als Familienstandorte mit ländlichem Profil.

Familienaufenthalte machten im vergangenen Jahr gut die Hälfte aller Übernachtungen aus. Doch auch bei dieser Gästegruppe hat der Landesverband im Vergleich zum Vorjahr rund 50.430 Übernachtungen (-27.6 Prozent) verloren.

Als einzige Herberge war während des Lockdowns im Dezember nur die Jugendherberge Oldenburg belegt. Dort fanden berufliche Übernachtungen statt, die weiterhin erlaubt waren.

Bisher keine Standort-Schließungen

„Die Lage ist ernst“, fasst Thorsten Richter zusammen. „Wir befinden uns nach wie vor in einer historischen und existenzbedrohenden Situation“. Trotzdem hoffe man (noch), der Krise am Ende zu trotzen. „Alle unsere rund 630 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zwar in Kurzarbeit, aber noch an Bord. Auch endgültige Standort-Schließungen seien aktuell nicht erfolgt. „Das ist ein sehr großer Etappensieg“, so Richter weiter.

So konnten die erheblichen Einnahmeverluste durch Gegenmaßnahmen des Landesverbandes abgefedert werden – etwa durch Kurzarbeit, radikale Kosteneinsparungen und Investitionsstopps.

Staatliche Corona-Hilfen

Der DJH Landesverband Unterweser-Ems hat Beihilfen aus drei verschiedenen Hilfspakten von Bund und Land erhalten. Wie hoch die Hilfe am Ende ausfallen wird, ist allerdings noch offen. Die Beihilfen stammen aus verschiedenen Bundes- und Landestöpfen, die miteinander verrechnet werden. Dieser Vorgang ist noch nicht final geklärt.

Appell an Politik und Gäste: Bitte keine voreiligen Verbote und Stornierungen!

Absehbar ist schon jetzt, dass auch für 2021 Beihilfen aus den bestehenden Programmen nötig sind. Bis zu den Sommerferien sind alle Schulfahrten von Schulen aus NRW schon jetzt untersagt. Das Verbot trifft die Jugendherbergen im Nordwesten erneut hart – Klassenfahrten machen in den Monaten Mai und Juni in normalen Jahren mindestens 60 Prozent der Belegung aus. Auch Gruppenbuchungen fallen sehr zurückhaltend aus oder finden noch nicht statt. „Aktuell müssen wir damit rechnen, dass bis zu den Sommerferien lediglich Familienübernachtungen und berufsbedingte Gruppenübernachtungen stattfinden können“, so Geschäftsführer Richter.

Eine Entwicklung, die den Jugendherbergen an die Substanz geht. Richter: „Die weitere Entwicklung der Pandemie und die Frage, wann wir wieder Schulfahrten und Gruppen in unseren Häusern haben, ist entscheidend für unsere Zukunft. Je länger diese fernbleiben, desto mehr spitzt sich die Lage für uns zu“.

Deshalb erneuert der Landesverband seinen Appell an die Schul- und Kultusministerien, keine voreiligen Verbote für die Zeit nach den Sommerferien auszusprechen. Es sei völlig klar, dass Schulfahrten und Reisen nur dann stattfinden können und sollen, wenn es das Infektionsgeschehen zulasse. „Die Gesundheit steht an erster Stelle“, betont der Geschäftsführer der Jugendherbergen im Nordwesten. „Unsere Stornobedingungen haben wir aber so angepasst, dass ,Corona-bedingt‘ bis kurz vor der Anreise kostenlos storniert werden kann“.

Familienurlaub in der Jugendherberge

Gleiches gilt für alle anderen Gästegruppen, sodass auch Neubuchungen ohne Risiko möglich sind – zum Beispiel für Familien. Hier ist die Buchungslage positiver, vor allem für die Sommerferien. Die Jugendherbergen in der Region rechnen zudem mit einer starken Nachfrage von Familien, sobald Reisen wieder möglich sind. Für sie hat der Landesverband im ersten Halbjahr besondere Angebote vorbereitet

Eine Öffnungsperspektive ist allerdings noch nicht in Sicht: „Eine Prognose zu Schließzeiten bzw. möglichen Wiedereröffnungen einzelner Jugendherbergen ist im Moment leider noch nicht möglich. Dies ist abhängig vom weiteren Verlauf der Pandemie und den Entscheidungen von Bund und Ländern“.

Teams der Jugendherbergen stehen in den Startlöchern

Die Jugendherbergen jedenfalls haben ihre Hausaufgaben erledigt. „Wir stehen quasi in den Startlöchern und sind bestens auf die Wiedereröffnung unserer Herbergen vorbereitet“, sagt Thorsten Richter. Um Schulfahrten und Reisen auch in Corona-Zeiten so sicher wie möglich zu gestalten, haben die Jugendherbergen tragfähige Konzepte entwickelt. Dazu zählen umfangreiche und praxiserprobte Hygienemaßnahmen, die kontinuierliche Schulung aller Mitarbeitenden, Teamer und Trainer sowie angepasste (erlebnis-) pädagogische Programme mit kontaktlosen Teamtrainings in festen Gruppen an der frischen Luft. Diese Hygienekonzepte haben sich schon in 2020 bewährt. Sogenannte „Corona-Scouts“ stehen ab sofort bei Fragen der Gäste als besondere Ansprechpartner in den Häusern zur Verfügung. Als corona-konforme Begleitung während des Aufenthalts können diese geschulten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Aufenthalts- und Programmplanung vor Ort beraten.

Auf Klassenfahrten verpassten Schulstoff nachholen

Klassenfahrten haben gerade auch während und nach der Pandemie einen wichtigen Stellenwert für das soziale Lernen sowie das Miteinander und die persönliche Weiterentwicklung der Schülerinnen und Schüler: Alle Projekte, die über den klassischen Unterricht hinausgehen und dem sozialen Lernen dienen, mussten in den Schulen gestrichen werden. „Mit unseren pädagogischen Programmen können wir diese Lücke sehr gut schließen“, betont Thorsten Richter. Etwa wenn Schulklassen im Kletterpark über sich hinauswachsen, Gruppen in der Natur zum Team oder Jugendliche zu Helden gegen Rassismus oder Mobbing im Netz werden. Natürlich ist es auch möglich, verpassten Schulstoff nachzuholen: Auf Wunsch der Schulen kann die Fahrt so angepasst / umorganisiert werden, dass Lerneinheiten eingebaut und die entsprechenden Räume und Technik zur Verfügung gestellt werden. „Wir gehen so flexibel wie möglich auf die Wünsche und Bedürfnisse der Schulen ein“, verspricht Thorsten Richter. Details können unkompliziert mit der entsprechenden Jugendherberge abgestimmt werden.

Deutsches Jugendherbergswerk (DJH) | Landesverband Unterweser-Ems e.V.

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Telefon: 0421 5983025

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